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    1 day ago

    Ich weiß ja, dass Gewalt nicht zu einer Überzeugung führt. Aber Überzeugungsarbeit führte ja auch nicht zur Überzeugung. Das ist bei vielen Themen dann eben Teil der pluralistischen Demokratie, den man aushalten muss.

    Es gibt aber Themen, da hat man keine Zeit für den “Marktplatz der Ideen”. Zu diesen Themen gehören eben

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    Das sind m.E. nach die Art von Themen, wegen denen die “Väter des Grundgesetzes” sich gegen Volksentscheide auf Bundesebene entschieden haben. Weil sie darauf vertrauten, dass das politische Establishment mehr in der Lage sein würde, auch GEGEN reale oder vermeintliche Mehrheiten das Richtige zu tun.

    Extrembeispiel anderer Natur: wenn morgen Russland ein NATO Land überfällt, ist meine Vermutung, dass wir schnell den Verteidigungsfall ausrufen würden und die Bundeswehr einsetzen. Auch gegen eine Mehrheit. Da wird dann nicht 30 Jahre lang debattiert. Oder bei Corona. Auch nicht. Da gab es keinen fairen “Marktplatz der Ideen”.

    Deswegen wird auch keine politische Gruppe gewalttätig, wenn es um mehr Fahrradwege geht oder um Ladenöffnungszeiten. Sondern bei Themen, die gestern hätten gelöst werden müssen und bei denen es keinen Kompromiss geben kann und darf. Man schließt keinen Kompromiss mit den Naturgesetzen der Thermodynamik, es gibt kein “ein bisschen Konzentrationslager ist OK und muss man in einer Demokratie aushalten”.

    Deswegen verstehe ich Menschen, die nach 30 Jahren “Marktplatz der Ideen” nicht gehört wurden, dann aus Verzweiflung gewalttätig werden. Nicht unbedingt weil sie glauben “mit diesem Mittel klappt es jetzt” sondern eben aus Fassungslosigkeit ob der Untätigkeit des politischen Establishments.

    • Quittenbrot@feddit.org
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      6 hours ago

      Aber Überzeugungsarbeit führte ja auch nicht zur Überzeugung.

      Da kann man sich jetzt streiten. Zum Beispiel war bei der Wahl 2021 der Umweltschutz ein extrem wichtiger Punkt für die Wähler. Da ist also in den Jahren tatsächlich gesamtgesellschaftlich etwas entstanden. Richtig ist natürlich, dass diese Bewegungen langsam sind und vielen vielleicht auch zu langsam. Aber da wären wir wieder bei meinem Punkt, dass man trotzdem nicht abkürzen kann. 2025, nach LG, “Gewalt” und extrem polarisierender Debatte, hatte der Umweltschutz jedenfalls keine große Priorität mehr und ob Merz’ Truppe sich da stark engagieren wird, darf wohl bezweifelt werden.

      Das ist bei vielen Themen dann eben Teil der pluralistischen Demokratie, den man aushalten muss.

      Das denke ich bei Gewalt nicht. Wer sich der Gewalt bedient, egal wie nachvollziehbar, verabschiedet sich aus der pluralistischen Demokratie, denn er möchte für seinen Belang die Regeln außer Kraft setzen und stattdessen mit Zwang durchsetzen. So funktioniert das in der pluralistischen Demokratie nicht. Aber vielleicht habe ich deinen Satz auch falsch verstanden.

      Es gibt aber Themen, da hat man keine Zeit für den “Marktplatz der Ideen”. Zu diesen Themen gehören eben

      Eben! Daher finde ich es so frustrierend, wenn man da auf Maßnahmen setzt, von denen man weiß, dass sie nichts bewirken werden und vielleicht sogar beschleunigend wirken! Du sagst, die Überzeugungsarbeit hat nichts gebracht. Zumindest hat sie aber nicht die Leute derart in die Hände der Falschen getrieben, wie es bspw. die LG mit ihren Klebeaktionen erreicht hat. Beim Kern kam das vielleicht gut an, aber die Masse hat es verschreckt. Es ist aber diese Masse, die in der pluralistischen Demokratie den Ausschlag gibt - darum haben wir jetzt diese Regierung.

      Extrembeispiel anderer Natur: wenn morgen Russland ein NATO Land überfällt, ist meine Vermutung, dass wir schnell den Verteidigungsfall ausrufen würden und die Bundeswehr einsetzen. Auch gegen eine Mehrheit.

      Das glaube ich tatsächlich nicht. Wenn Russland in wenigen Jahren anfängt, in Estland bspw. die Grenzstadt Narva mit “freundlichen grünen Männchen” zu besuchen, werden wir plötzlich sehr viel in die Richtung hören, dass man doch wegen einer 50.000-Einwohner-Stadt in einem Miniland da an der Grenze keinen Weltkrieg mit einer Atommacht lostreten wird. Ich werde dann einer derjenigen sein, der absolut der Meinung ist, dass wir das eben doch machen müssen, genau damit es nicht weiter eskaliert. Und ich werde daran verzweifeln, dass die Mehrheit anders denkt - so wie ich auch heute mitunter daran verzweifel, dass wir die Ukraine zu sehr haben hängen lassen. Deshalb aber mit Molotows, NATO- und Ukraineflaggen brandschatzend durch die Straßen zu ziehen, würde mir nicht einfallen. Ich probiere stattdessen, den Leuten wo möglich zu erklären, warum ich der Meinung bin und hoffe, sie davon überzeugen zu können und warte, dass der Druck auf die Mehrheit zunimmt. Wenn Russland dann ist Estland statt der Ukraine steht, werden es vielleicht wieder ein paar mehr kapieren. Daran kann ich nichts ändern, denn die Alternative wäre die Quittenbrot-Diktatur und das weiß ich selber, dass das scheiße wäre.

      Oder bei Corona. Auch nicht. Da gab es keinen fairen “Marktplatz der Ideen”.

      Ich persönlich hatte mit den Maßnahmen auch gar kein Problem. Aber man merkt bis heute, dass das für viele offenbar ein extrem traumatisches Erlebnis war und dieses Aussetzen des “Marktplatzes der Ideen” für sie eine riesige Vertrauenswunde hinterlassen hat. Das hat den Nazis leider sehr geholfen.

      Man schließt keinen Kompromiss mit den Naturgesetzen der Thermodynamik, es gibt kein “ein bisschen Konzentrationslager ist OK und muss man in einer Demokratie aushalten”.

      Die AfD muss eine Demokratie nicht aushalten, sondern sich ihrer entledigen. Wer die Demokratie zerstören will, kann sich nicht auf ihren Schutz berufen. Auch so eine Lehre, die sich zu langsam durchsetzt.