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Unsicheres Spielzeug, giftige Schwermetalle in Schmuck, zu heiße Ladegeräte: Wir haben 162 Produkte von Temu und Shein getestet. 110 erfüllten nicht die EU-Standards.
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Mehr als zwei Drittel der Produkte im Test erfüllten nicht die EU-Sicherheitsanforderungen. Etwa ein Viertel bewerten wir als potenziell gefährlich. Diese besonders kritischen Fälle veröffentlichen wir in einer Tabelle – mit Artikelnummern, so dass Käuferinnen und Käufer nachvollziehen können, ob ein von ihnen gekauftes Produkt betroffen ist.
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Schmuck: Anhänger mit giftigem Schwermetall […] Bei allen Kettenbestandteilen aus Metall haben wir den Gehalt der giftigen Schwermetalle Cadmium und Blei gemessen und auch die sogenannte Nickellässigkeit – der Test simuliert wie viel Nickel durch Schweiß bei längerem Hautkontakt freigesetzt wird. Der Bleigehalt war unbedenklich, die Nickellässigkeit bei zwei Ketten zu hoch.
In drei Ketten von Shein entdeckten wir gefährlich viel Cadmium – immer steckte der Schadstoff im Anhänger, einen sehr hohen Gehalt wies etwa ein Kirsch-Anhänger auf. Cadmium ist als krebserzeugend eingestuft und kann Knochen- und Nierenschäden verursachen. Sein in der EU zulässiger Grenzwert für Schmuck liegt bei 0,01 Prozent des Gewichts eines Schmuckstücks. Wir fanden in zwei Ketten von Shein jeweils mehr als 85 Prozent – also das 8500-Fache des Grenzwertes. Die dritte Kette überschritt den Grenzwert nicht so extrem, war aber immer noch erheblich belastet: Sie enthielt zehnmal so viel Cadmium wie in der EU erlaubt.
Am gefährlichsten ist Cadmium, wenn man es in den Mund nimmt, daran lutscht oder es verschluckt. Menschen, die ab und zu gedankenverloren ihren Kettenanhänger zwischen die Lippen nehmen, sind dann natürlich besonders gefährdet.
Die Stiftung Warentest empfiehlt: Falls Sie eines der stark mit Cadmium belasteten Schmuckstücke gekauft haben, entsorgen Sie es. Achtung: Giftige Schadstoffe gehören nicht in den Hausmüll, bringen Sie den Schmuck zu einer Schadstoffsammelstelle, etwa einem Recyclinghof. Halten Sie die Ketten besonders von Kindern fern. Kleinkinder könnten den Anhänger verschlucken.
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Baby-Spielzeug: Zu viel Formaldehyd in bunten Tüchern: Beißring, Rassel, Badetier – die Spielzeuge für Kinder unter drei Jahren im Test hatten teilweise kleinere Mängel, zum Beispiel ein fehlendes CE-Zeichen, teilweise größere Mängel: Etliche bestanden aus Kleinteilen, hatten Aufkleber oder Saugnäpfe, die sich leicht lösen und verschlucken lassen. Dann besteht Erstickungsgefahr.
Vier Quietschbälle eines Bälle-Sets von Shein waren zu laut. Wir haben eine Spitzenlautstärke von bis zu rund 115 Dezibel gemessen, erlaubt sind maximal 110 Dezibel. Auf den ersten Blick mag die Überschreitung gering wirken, zwischen 110 und 115 Dezibel besteht aber ein erheblicher Unterschied: Das menschliche Ohr nimmt eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 10 Dezibel als Verdopplung der Lautstärke wahr. Zum Vergleich: Lärm auf einer dicht befahrenen Hauptverkehrsstraße entspricht 85 Dezibel.
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Fast alle Spielzeuge waren schlecht gekennzeichnet, zum Beispiel fehlten Warnhinweise oder die Hinweise waren irreführend. Ein CE-Zeichen trugen zwar alle Spielzeuge und USB-Ladegeräte, allerdings nicht immer an der vorgeschriebenen Stelle – etwa nur auf der Verpackung und nicht direkt auf dem Spielzeug. Das Zeichen ist in der Europäischen Union für bestimmte Produkte Pflicht. Damit erklärt der Hersteller, dass er sich an die gesetzlichen Vorschriften hält. Nachweisen muss er es nicht.
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Ladegeräte sind nicht elektrisch sicher: USB-Netzteile gehören zu unserem digitalen Alltag, wir laden damit Handys, Laptops oder Tablets auf. Die kleinen Geräte müssen viel Leistung bringen, einen Stromschlag, Kurzschluss oder Brand will beim Aufladen aber niemand riskieren. Ernüchterndes Prüfergebnis: 52 von 54 Netzteilen im Test erfüllten nicht die EU-Sicherheitsanforderungen an elektrische Bauteile und Schaltungen sowie an die Haltbarkeit der Ladegeräte.
Die Ladegeräte von Shein hatten vor allem ein Problem mit der elektrischen Sicherheit, 10 von 27 wurden beim normalen Aufladen zu heiß – bis zu rund 88 Grad Celsius. Der in der EU erlaubte Grenzwert liegt bei 77 Grad. Vier Geräte von Temu zeigten die gleiche Schwäche. Starke Hitze kann das Kunststoffgehäuse des Ladegeräts verformen, die elektronische Isolierung im Inneren beschädigen und im schlimmsten Fall zum Brand führen. Ein potenzielles Brandrisiko bestand im Test auch bei einem weiteren Netzteil von Temu, weil die Isolationsabstände zwischen den einzelnen Bauteilen zu klein waren.
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Solche Qualitätsprüfungen sind für den durchschnittlichen Verbraucher nicht durchführbar. Kein normaler Endkunde kann seine erworbenen Produkte auf Cadmium oder Nickellässigkeit prüfen, auch den Formaldehydgehalt in Decken kann man selbst nicht messen. Bei Ladegeräten ist man als Verbraucher auch nicht in der Lage, derartige Mängel festzustellen.
Der Digital Services Act verpflichtet Händler, die in der EU tätig sind, die vertriebenen Waren auf EU-Standards hin zu überprüfen. Wenn man sich als Verbraucher nicht darauf verlassen kann, dass die Waren i.o. sind, ist das für den Internethandel insgesamt ein großes Problem.
Richtig. Diese Prüfungen sind dem Verbraucher selbst nicht zuzumuten. Allerdings die Entscheidung ob man bei einem Händler kauft, der in der EU tätig ist oder nicht. Es sollte ihm auch zumutbar sein, zwischen einem Vermittler und Händler zu unterscheiden.
TEMU ist in Irland registriert. Somit kann man innerhalb der EU seine Rechte einfordern.
Ich halte trotzdem für naiv einen Artikel zu kaufen, der sehr weit unter dem Durchschnittspreis liegt und Mängel (nach Standard) nicht in Betracht zu ziehen. Hinzu kommt, dass der besagte Shop bereits in den Medien und indirekt in der Politik thematisiert wurde. Der Test und die Veröffentlichung ist gut. Eine Konsequenz (Klage) wäre nützlich.
Ein gesundes Misstrauen beim Kauf würde jedoch ebenfalls sinnvoll. Wo bleibt die Selbstverantwortung seine Rechte einzufordern und gegebenenfalls auch selbst präventiv zu Handeln? Wer einen Pilz findet und nicht sicher ist, dass diese ungiftig ist, wird ihm hoffentlich nicht essen.
Es besteht aber ein wichtiger Unterschied zwischen “billiges Zeug, dass schlechte Leistung bringt oder schnell kaputt geht” und “gesundheitsgefährdend” oder “Brandrisiko”. Und dieser Unterschied ist vom Händler / der Plattform im Vorfeld zu überprüfen, das ist diesem auch in seinem Eigeninteresse zumutbar, da ihn hier ja auch die Haftung schwer treffen kann. Es ist im Gegenzug nicht vom Konsumenten zu verlangen, übliche Preise für die angebotenen Produkte in Großhandel in China zu kennen - für den ist es unklar, wie der niedrige Preis im Detail zustande kommt. Um zum Pilz zurückzukommen: Im Wald gibts ja auch keinen, der mir den Pilz schmackhaft machen will; wenn mir ein Händler Pilze verkauft, möchte man ja doch annehmen, dass dieser keine Giftpilze unter seine Waren mischt.
Im Ergebnis sehe ich das ebenfalls so. Leider ist der Übergang zwischen schlechter Qualität und gefährdend nicht immer eindeutig. Oft wird es erst mit einem bestimmten Gebrauch gefährdend. Das Steckernetzteil ist es, eindeutig, sofern das CE-Logo verwendet wird.
Nur für den Fall, dass dieser in der EU sitzt. Ob dieser auch bei korrekter Angebotsbeschreibung greift haben oder müssten Juristen klären. Ggf gibt es ja bereits Präzedenzentscheidungen.
Ich bin gespannt, welche Konsequenzen das Testergebnis von Warentest für TEMU haben wird. Bis dahin würde ich jeden empfehlen als Kunde selbst darauf zu achten und im Zweifelsfall das Produkt meiden.
Ich finde seh viele Pilze oder Früchte im Wald sehr ansprechend. In weiterem Sinn würde ich das auch mit einem Werbebanner oder Angebot vergleichen, das ich ignorieren, meiden oder darauf eingehen kann.
Wie oben geschrieben die Grenze ist nicht eindeutig, somit ist auch die Verantwortung nur im konkreten Fall abgrenzbar. Jeder sollte bzw. muss selbst entscheiden, wieviel Risiko er oder sie eingeht und wem dieser vertraut. Was mich zutück zur Kultur mit einem gesunden Misstrauens und Warenprüfung des Verbrauchers bringt.